Nikolaus Stein



„graal“, 2019 (Auswahl)


Begründung der Jury

Der Fotograf Nikolaus Stein inszeniert das Thema des „Fremden Blicks“ in der Serie „graal“ überraschend und sowohl die formalen, als auch die inhaltlichen Umsetzungen seiner verschiedenen Einzelbilder sind überzeugend gelungen.
Inspiriert von dem mittelalterlichen Roman Li Contes del Graal begibt er sich auf eine Suche nach Bildern zwischen Mystik und Wahnsinn, Orientierungslosigkeit und Skurrilität.

Zum Teil baut Nikolaus Stein seine Bildkompositionen grafisch mit geraden Liniengerüsten auf. Blickrichtungen unterstützen dann längliche Gegenstände wie Flinten auf ein Gullyloch oder ein in die Luft gereckter Finger auf ein kurioses Flugzeug am Haken.

Zum anderen erzielt er malerische Wirkungen in weiter Landschaft oder durch den Einsatz von Unschärfe. Wenn Nikolaus Stein Schatten als Kompositionselement nutzt, abstrahiert er nicht nur seine Bildsprache, sondern lädt besonders zu Assoziationen ein. So erscheint ein Schattenbild einer menschlichen Figur durch die Verbindung mit vorhandenen Spuren auf dem Asphalt wie eine fiktive Gestalt mit tierischen Fühlern.

Ob lustige Metamorphosen oder skurrile Begebenheiten – bei den Fotografien von Nikolaus Stein geht es weniger um eine Verortung oder Gegenstandsbeschreibung, vielmehr zeigt er Widersprüchliches im Zusammenspiel von Mensch und Objekt oder seinem Lebensraum.
Nikolaus Stein versteht es, faszinierende und geheimnisvolle Geschichten zu erzählen. Mit Perspektiv- und Szenenwechseln erzeugt er Spannungsbögen, in denen Raum, Personen und Handlungen zum Vexierbild eines nicht zu begreifenden, teils beängstigenden, teils humorvollen Fremden Blicks werden.

Der Jury gehörten an:

  • Dr. Beate Kemfert, Vorstand Kunst- und Kulturstiftung Opelvillen Rüsselsheim
  • Sibylle Fendt, Hochschule Hannover
  • Freddy Langer, Frankfurter Allgemeine Zeitung
  • Chris Becher, Preisträger Marta Hoepffner-Preis 2017
  • Ralf Dingeldein, Marta Hoepffner-Gesellschaft e.V.

Lobende Erwähnung

Aristidis Schnelzer, Peter Holly 2, 2019

Aristidis Schnelzer wagt es, einen Menschen in all seiner Verletzlichkeit zu zeigen. Er entscheidet sich bewusst, nicht den Alltag des Obdachlosen Peter zu beschreiben, sondern ausschließlich an der Oberfläche seines Körpers und durch den Ausdruck seiner Blicke, die Schwere seines Lebens zu erahnen. Diese intensive Auseinandersetzung mit einem Menschen, der am Rande der Gesellschaft lebt, berührt und zwingt gleichzeitig in unverblümter Deutlichkeit dort hinzuschauen, wo wir unsere Blicke zumeist abwenden.

Zum Preisträger

Nikolaus Stein ist Fotograf und Gründungsmitglied von Iconic Mirage. Stein – in den frühen 90er Jahren in Oberösterreich geboren – versieht sein Werk mit autobiographischen Bezügen und einer radikalen Hantologie. In seinen Bildern schaffen die unauflösbaren Widersprüche zwischen Tradition und Wurzellosigkeit, Heiligem und Profanem, Tragischem und Lächerlichem faszinierende Szenen, die immer auf das eigentliche Thema seiner Kunst hindeuten: den menschlichen Verstand selbst. Nikolaus Stein ist Alumnus der Ostkreuzschule für Fotografie und lebt derzeit in Berlin.

2016  – 2019 Ostkreuzschule für Fotografie, Abschlussarbeit ,graal‘ (bei Ludwig Rauch)
2013 – 2015  Studium der Filmwissenschaft, Freie Universität Berlin (pro forma)

www.nikolausstein.de

,graal‘, Expose

Die vorliegende Arbeit, zuerst angedacht als humorige Beschäftigung mit Mystizismus, wurde schließlich eine Studie zu Wahn und Paranoia. Durch die Brille der Angst erfährt das Vertraute eine krude Perversion; ,graal‘ bebildert die zwängliche Flucht von einer gegebenen Realität hinein in eine konstruierte Groteske. Dem angstvollen Unverständnis über Mikro-und Makrokosmos werden missverständliche Bilder entgegengesetzt – so eröffnet sich ein fremder Blick auf Erlebtes, nunmehr aus Perspektive des Entrückten.

Eine Metapher, die der Arbeit am ,graal‘ vielleicht am ehesten entspricht, ist die bittere Komik der Situation eines Unbedarften, der eine Spielzeugpistole findet, das Schießen mimt – und trifft. Namentlich angelehnt an den mittelalterlichen Roman ,Li Contes de! Graal‘ von de Troyes, hat es jedenfalls heiteres Befremden ausgelöst, den Menschen zu erzählen, die vorliegende Arbeit hätte die ,Suche nach dem heiligen Gral‘ zum Thema.
Sämtliche der eingereichten Arbeitsproben entstammen ,graal‘ #1 – #36.

Förderer des Marta Hoepffner-Preises 2020:

 

Ausstellung und Katalog werden gefördert durch:

 

 

 

@